Bonding auf Netflix: Unsere Kritik & Rezension

Wir nehmen uns die Zeit, eine Kritik der ersten Staffel der Netflix-Serie Bonding zu verfassen. Sollten Fetischfans und Lala-Leser sich die beiden Staffeln ansehen?


DICKE FETTE SPOILERWARNUNG FÜR DIE ERSTE STAFFEL

Netflix-Serie Bonding: Darum geht es

Die Handlung von Bonding ist schnell erklärt: Die Psychologiestudentin Tiffany Chester (Zoe Levin) arbeitet bei Nacht als Domina. Ihr Pseudonym: Mistress May. Um ihrem aufreibenden Leben zwischen Hörsaal und Dominastudio, Bibliothek und Verschwiegenheit, Leder und Lehrstuhl „Herrin“ zu werden, heuert sie ihren homosexuellen, unter Geldnot leidenden Highschool-Kumpel Pete Devin (Brendan Scannell) als Assistenten im Dominastudio an. Pete steht zu seiner Homosexualität und seinem Fußfetisch und ist ein absolut introvertierter Möchtegern-Standup-Comedian, der regelmäßig kurz vor seinen Auftritten die Flucht ergreift.

An der Seite von Tiffany beginnt seine schwarzhumorige Reise durch sämtliche Fetische und Kundentypen von Mistress May. Pete weigert sich zunächst, mehr als ein in Fetischkleidung in der Ecke stehender kleiner Helfer zu sein, doch lernt in jeder Folge mehr über BDSM, Tiffanys Kunden und – so der große Plot der Show – sich selbst.

Tiffanys Entwicklung: Selbstmitleid ahoy!

Die Rolle der sexuell dominanten Tiffany ist – leider – die schwächere der beiden Hauptfiguren. Tiffany legt einen starken Auftritt zu Beginn der Show hin und öffnet sich dem ängstlichen Pete Folge für Folge. Aus der stählernen Domina, die souverän und nie mit Vorurteilen beladen Kundenwünsche erfüllt und dabei eine ordentliche Menge eigenes Vergnügen verspürt, sich einen Haussklaven hält und selbst von ihrem manipulativen Schönling von Professor angeflirtet wird, wird eine unzufriedene Trantüte. Leider! Tiffany folgt damit einer erwartbaren Entwicklung, denn die Regie hat sich offensichtlich vorgenommen, die verletzliche Seite sexuell dominanter Menschen hervorzuheben. Das ist nobel, das ist lobenswert, denn hier gibt es wirklich Gesprächsbedarf.

Leider behandelt Tiffany ihre Sexualität nicht als Teil von sich, sondern (obwohl die Serie sich größte Mühe gibt, dem Zuschauer das Gegenteil zu beweisen) als mit Stolz ertragene Bürde. Wo „Tiff“ souverän sein sollte, ist sie überheblich. Ihre in den späteren Folgen der ersten Staffel durchscheinende Verletzlichkeit ist besser als Selbstmitleid beschrieben. Tiffanys Charakter badet in der Verantwortung, die sie gegenüber ihren Klienten und Pete übernimmt – und vergisst nie, ihren Sonderstatus zu betonen. Pete wird – und das stößt beim Zuschauen besonders auf – ganz offensichtlich als ein weniger interessanter Mensch, der kleine ängstliche Schwule sogar, behandelt.

Petes Reise in die BDSM-Welt

Pete hat einen sexuell überaktiven Vermieter, der zugleich sein Mitbewohner ist. Dessen erotische Eskapaden muss er beinahe täglich live miterleben, denn die unsagbar kleine Wohnung zwingt ihn, das Schlafzimmer seines Vermieters/Kumpels/Mitbewohners zu durchqueren, wenn er in sein eigenes gelangen will. Sollte das als Kommentar auf die Wohnungslage in New York gedacht sein: Absolut gelungen.

Doktor Sommer lässt grüßen

An der Seite von Tiffany lernt Pete, mit den erotischen Wünschen deren Kunden umzugehen. Zunächst als lebendige Halterung von Equipment, später als Teilnehmer an den verschiedenen Sessions (die Serie ist dabei niemals wirklich erotisch, wenn man vom Anblick der gutaussehenden Tiffany absieht) und ganz am Ende sogar in aktiv-dominanter Rolle als „Master Carter“. Sein sich langsam entwickelndes Alter Ego ist dabei lediglich eine selbstbewusste Version von Pete. Die Serie gibt sich sehr viel Mühe, dem Zuschauer die Metamorphose glaubhaft zu machen: Der ängstliche Pete trägt T-Shirt und Jeans, der mutige Pete („Carter“) trägt Lack und Leder. Hier schwingt die alte Mär vom „Gib einem Menschen eine Maske und er zeigt dir sein wahres Gesicht“ mit.

Pete ist jedoch die bei weitem glaubhaftere Figur. Sein Staunen über Tiffanys bunte Arbeitswelt, seine Ängste und seine Entwicklung sind die größte Stärke der ganzen Serie. Er findet einen liebevollen Freund und mit dessen Partnerschaft, Tiffanys Lektionen und den Erlebnissen im BDSM-Studio traut er sich zum großen Finale endlich auf die Bühne eines Comedy-Clubs. Glückwunsch, Pete!

Der Humor in Bonding

Die Serie strotzt vor schwarzem Humor und Anspielungen auf BDSM Memes. Dabei schafft sie es irgendwie, sich zugleich über die Kunden von Tiffany lustig zu machen und sie wohlwollend zu behandeln. Aus Perspektive der Fetischfans fühlt es sich gleichzeitig gut und nicht gut an, die Serie zu schauen.

Bonding will „Tabus brechen“

Ein Kunde möchte unbedingt angepinkelt werden und frohlockt, als Pete seine Scheu überwindet und dem Wunsch nachkommt. Der besagte Kunde wird dabei allerdings (keine Ahnung, wie das vonstatten ging) niemals entwürdigt dargestellt – seine Offenheit ist entwaffnend und aus dem peinlichen (mitunter ekelerregenden) Moment wird ein bedeutender Teil von Petes Emanzipation zu Master Carter. Man möchte den Bildschirm anschreien: „Leute, so läuft das nicht in Wirklichkeit!“, aber der enthemmt lachende (und dabei pinkelnde) Pete ist dermaßen skurril, dass die entrüsteten Worte nur mit einem Grinsen über die Lippen kommen.

Tiffany geht auf ein Date mit einem etwas dümmlichen, doch liebevollen Mit-Studenten. Dabei taucht ihr Haussklave auf und seine Eifersucht auf den „Normalo“ führt dazu, dass Tiff ihrem neuen Freund ihr Doppelleben gesteht. Der Haussklave verehrt Tiffanys Alter Ego „Mistress May“ so sehr, dass er sie bedeutungsschwanger als eine „Blume aus Stahl“ bezeichnet und mit großer Geste für einen der charmantesten und witzigsten Momente der ganzen Serie sorgt.

Ein Kunde möchte in einem Pinguin-Kostüm einen Ringkampf durchführen. Tiffany verpasst den Termin und Pete in seiner Rolle als Carter steht allein da. Der Kunde wird beinahe übergriffig und Pete wehrt sich vehement gegen ihn. Die Szene hat einen sehr unangenehmen Beigeschmack, doch erneut „lernt“ der schüchterne Pete dazu.

Unser Fazit zur ersten Staffel der Netflix-Serie Bonding

Bonding hatte die richtige Absicht, doch scheitert an sich selbst. Es wurde offensichtlich versucht, eine unterhaltsame Serie für alle zu machen, die sich vom pseudo-emanzipatorischen, von hochheiliger Selbstfindung durchsetztem Ernst des Shades of Grey Hypes abhebt und tatsächlich eine ähnliche Idee wie unser Ansinnen mit dem Spruch „mehr Licht im Fetischkeller bitte!“ verfolgt. Daher: Eine glatte Eins Komma Null für das bloße Vorhaben.

Leider ist „für alle“ meistens gleichzusetzen mit „für niemanden so richtig“. Fetischfans könnten sich veralbert vorkommen, Normalos könnten vom Mangel an tatsächlichem Sex in der Serie enttäuscht sein.

Unser Fazit zu Bonding auf Netflix in zwei Sätzen:

Es ist Klamauk, bei dem sich etwas gedacht wurde. Es wurde etwas gedacht, aber dann wurde es Klamauk.